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Systemische Aufstellungen und Energiearbeit

Aufstellungen zu vergangenem Leben

Hella Treffeisen

Je länger ich damit arbeite, um so mehr verdeutlicht sich, dass die vergangenen Leben sehr bestimmend auf uns heute wirken. Damalige schwere Schicksale, ungelöste Konflikte, wie die Schuld am Tod anderer Menschen oder eigenes Versagen, Verzweiflung, großes eigenes körperliches Leid und Schmerzen wie Folter, früher gegebene Versprechen oder Schwüre, sogar enge persönliche Bindungen können uns in unserem heutigen Leben begrenzen. Häufig sind es Ereignisse oder Handlungen, an denen unser vergangenes Leben zweifelte, scheiterte, vielleicht sogar zu Tode kam. Die damit verbundenen Gefühle sind dann wie eingefroren. Es besteht die Möglichkeit, diese Blockaden und Traumatisierungen zu lösen, indem in einer Aufstellung Stellvertreter nochmals die relevanten Ereignisse in einer Art Zeitraffer abgeschwächt durchleben. Gefühle und Befindlichkeiten, die wir heute von dem vergangenen Leben tragen, werden dann ritualisiert dorthin zurückgegeben. Der Klient fühlt sich mehr und mehr entlastet und frei, das vergangene Leben fühlt es ebenso. Häufig zeigen sich Gefühle von Dankbarkeit, Rührung und Freude zwischen den beiden Leben: eine gute Basis, um gestärkt im Hier und Jetzt weiter zu gehen.

So wollte ein Klient wissen, warum er Probleme mit seinem Geschäftspartner hatte und wünschte sich, beruflich seine innere Ruhe wieder zu finden. Die beiden sowie ein Dritter leiten gemeinsam eine Firma.

In der Aufstellung zeigte sich, dass der Klient in einem vergangenen Leben Verantwortung für eine Gruppe Menschen hatte, die für ihn arbeiteten, wohl verschüttet wurden und dabei erstickten. Diese Gruppe empfand keinen Vorwurf gegenüber dem früheren Leben des Klienten und trotzdem fühlte sich dieser verantwortlich und versprach sich damals, keine Verantwortung und Führung mehr über Menschen zu übernehmen und auszuüben. Die widerstreitenden Gefühle seines vergangenen Lebens reichten von Schwere über Hilflosigkeit, Lethargie und Hoffnungslosigkeit. Der ursprüngliche Tatendrang und Optimismus, etwas anfangen zu wollen, waren völlig verschwunden. Und genau diese Gefühle von Schwere, Lethargie, Hilflosigkeit, sich gelähmt fühlen, kannte der Klient im heutigen Leben, obwohl sie jetzt in diesem Ausmaß unangemessen und nicht erklärbar für ihn waren. Er hatte einige Monate vor der Aufstellung selbst eine Lungenembolie (Parallele zu dem Schicksal der Verschütteten).

Nach Trennung und Rückgabe damals verloren gegangener Seelenanteile, der genannten Gefühle und dem Versprechen konnte der Klient gut stehen und gut zu seiner Lebensaufgabe schauen. In diesem Fall war der Kollege offenbar gar nicht selbst in besagtem vergangenen Leben inkarniert, er diente dem Klienten wohl heute als Spiegel für sich selbst. Am Schluss der Aufstellung fühlte sich der Klient selbst deutlich gestärkt sowie ganz neutral gegenüber seinem Kollegen. Offenbar verwechselt der Kollege den Klienten mit einem Angehörigen des eigenen Familiensystems, was als Information dem Klienten hilfreich sein kann, diesen differenziert wahrzunehmen und nicht zuviel in der Beziehung zu dem Kollegen auf sich selbst zu beziehen.

In diesem Fall zeigte sich, dass die betroffenen Personen (die damals Verschütteten) auf seelischer Ebene keinen Vorwurf empfanden. Es kann sich in anderen Fällen allerdings auch Wut und Hass bei Opfern zeigen. Stellt sich das vergangene Leben dem, wird es frei und damit auch der Klient.

Auch unsere nächsten Verwandten wie Partner, Eltern und Kinder kennen wir oft aus vergangenen gemeinsamen Leben, wobei häufiger andere Beziehungskonstellationen auftraten. Ehemalige Freunde oder Geschwister kommen als Mutter und Tochter wieder oder Vater und Sohn tauschen die Rollen oder ehemalige Partner inkarnieren in vertauschten Geschlechterrollen oder inkarnieren heute als Vater und Tochter. Entsprechend können damals ungelöste Konflikte heute wieder Einfluss nehmen und zu Trennungen und Missverständnissen beitragen. Dies kann durchaus im Sinne eines Ausgleichs stimmig ein.

Eine Klientin kam von ihrem ehemaligen Partner nicht los, der sich ein Jahr zuvor von ihr getrennt hatte. Als sich in der Aufstellung zeigte, dass sie schon einmal gemeinsam lebten, der heutige Expartner ihr „Herr“ oder Vorgesetzter war, sie ihn damals enttäuschte, indem sie mit einem anderen beruflichen Angebot liebäugelte und sich nicht eindeutig für ihn entschied, bis er kein Interesse mehr an ihr hatte. Im heutigen Leben konnte der Partner der Klientin sich nicht eindeutig für sie entscheiden und trennte sich wieder (es erinnert an einen Ausgleich). Als sie nochmals durch die Gefühle gegangen war, konnte sie frei sein.

Auch aktuell auftretende körperliche und psychische Symptome können ihren Ursprung im vergangenen Leben haben. Das kann soweit gehen, dass heutige Symptome als selbst auferlegte Buße für Verfehlungen im vergangenen Leben gelebt werden. Wird dies anerkannt und von Herzen angenommen, kann das Symptom gehen.

Die Klientin stellte die Ursache für ihr Arthrose im Halswirbelbereich und ihre beidseitigen Schulterschmerzen auf. Ihr vergangenes Leben war sehr wütend und eifersüchtig auf eine Rivalin und verwünschte diese, die möglicherweise dabei zu Tode kam. Es zeigten sich beim vergangenen Leben zahlreiche Symptome rund um Kopf, Hals und Schultern, die im Verlauf der Aufstellung immer weiter zurück gingen. Die Rivalin konnte ihr Schicksal ohne Vorwurf annehmen.

Hier ist wichtig, diese seelische Erfahrung wertfrei anzunehmen und zu schätzen und dankbar gegenüber dem vergangenen Leben für die damals gemachten Erfahrungen zu sein. Das ist eine Form der Selbst-Vergebung und des Selbst-Annehmens, die uns heute frei macht.

Auch diejenigen, die in vergangenen Leben spirituell gearbeitet und damit „schlechte“ Erfahrungen gemacht haben, weil sie geächtet, ausgegrenzt oder unterdrückt wurden oder zu Tode kamen, scheuen sich oft, im jetzigen Leben ihre Fähigkeiten auszubilden und darauf zu vertrauen. Dabei möchte die Seele in aller Regel nicht die gleichen Erfahrungen wiederholen, sondern genau den Sog in diese aus dem vergangenen Leben stammenden Energien überwinden.

Wir sollten uns deutlich vor Augen führen, dass die Triebkraft zur seelischen Entwicklung und Heilung nicht aus einem paradiesischen Zustand von Harmonie, Glück und Freude entsteht, sondern aus dem tiefen Wunsch nach Überwindung von Leid, Schmerz und Mangel.